Stellungnahme der FWG zum Haushaltsentwurf für das Jahr 2022

Nachfolgend die Haushaltsrede unserer stellv. Fraktionsvorsitzenden Dr. Ute Buchheim (es gilt das gesprochene Wort):

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates,

liebe Mitarbeiter/innen und Bürger/innen der Stadt Rietberg,

Vor 10 Monaten, im Februar, haben wir den Haushalt für das Jahr 2021 verabschiedet. Damals haben wir wohl alle gehofft, dass die Zeit nach Corona möglichst bald beginnt – eine Hoffnung, die sich nicht bewahrheitet hat. Nach wie vor hält uns das Virus fest im Griff.

Die Zahlen der Inzidenzwerte bestimmen unser tägliches Leben – hier und heute geht es ebenfalls um Zahlen: nämlich die des Haushaltes für das nächste Jahr. Und hier haben wir uns einiges vorgenommen, was es finanziell zu stemmen und abzusichern gilt.

Doch bevor ich zu den Zahlen für die Zukunft komme, möchte ich kurz auf den Haushalt des Jahres 2021 kommen. Mit Vorsicht wurden die Ansätze bei den Steuereinnahmen geschätzt – man wusste ja nicht, was die Pandemie so macht. Uns alle hat das Ergebnis der Gewerbesteuereinnahmen überrascht – über 31 Millionen Euro sind ein Wert, den wir in Rietberg noch nie gehabt haben. Das konnte man wahrlich nicht vorhersehen. Und das zeigt, wie gut aufgestellt unsere Unternehmen hier in Rietberg sind – gerade auch im Vergleich zu Nachbarkommunen, die teilweise empfindliche Einnahmeverluste hinnehmen mussten. Die gesunde Struktur und Branchenbreite von klein- und mittelständischen Betrieben zahlt sich hier im wahrsten Sinne des Wortes aus. Deshalb wird das Ergebnis des Haushaltsjahres 2021 entgegen den Ansätzen im Vorfeld positiv ausfallen. Das freut uns sehr. Und dafür zollen wir allen daran Beteiligten – Arbeitgebern wie Arbeitnehmern – Respekt und sagen herzlichen Dank!

Um unsere Unternehmen für die Zukunft weiter stark zu machen, kam die Anfrage einer Investorengruppe zur Errichtung eines Campus genau zur richtigen Zeit. Innerhalb kürzester Zeit hat die Verwaltung mit Unterstützung der Politik eine hervorragende Lösung gefunden und positive Beschlüsse gefasst. Dass es uns mit dem Neuland-Campus ermöglicht wird, neue Wege zu gehen und Rietberg als Standort für Unternehmen und Innovation zukunftsfähig zu machen, ist gut und richtig. Dafür danke ich im Namen der FWG allen Mitwirkenden.

Nun zum Haushalt des kommenden Jahres:

Starten wir mit einer guten Nachricht: Wir wollen auch in diesem Jahr keinerlei Steuererhöhungen! Die Grundsteuern A und B sowie die Gewerbesteuer bleiben bei den seit 2016 geltenden Hebesätzen und wir sollten alles dafür tun, um diese Sätze auch in Zukunft für unsere Bürger und Unternehmer zu halten. Aber genau deshalb sollten wir keine zusätzlichen finanziellen Versprechungen machen.

Denn: Erträgen von rund 73,5 Mio. Euro stehen Aufwendungen in Höhe von 75,8 Mio. Euro entgegen. Damit haben wir ein Saldo von rund 2,3 Mio. Euro – das wir aus der Rücklage entnehmen müssen.

Weil Einnahmen wie der große Gewerbesteuerbatzen von 2021 für die Zukunft nicht eingeplant werden können, hat die Verwaltung der Politik die freiwilligen Leistungen, bei denen möglicherweise der Rotstift angesetzt werden könnte, konkret aufgelistet. Die Verwaltung hat dazu aber auch deutlich gemacht, was Kürzungen bzw. Streichungen von freiwillig geleisteten Beträgen in ihrer Auswirkung genau bedeuten würden. In den Ausschusssitzungen hatten wir so, über viele Positionen zu beraten – Und ich frage Sie: Sollen z.B. die Pfarrbüchereien auf einen jährlichen Zuschuss von 700 Euro aus dem Stadtsäckel verzichten? – Das ist nämlich eine von vielen freiwilligen Leistungen. Was bedeutet es für die Vereine, wenn sie künftig nicht nur 50%, sondern 100% der Energiekosten ihrer Vereinsheime zahlen müssen? Was bedeutet es, wenn wir den Reinigungsbeitrag für Karneval streichen? Oder die Standgebühren für den Jakobimarkt erhöhen? Die Gewerbegebiete nicht mehr einheitlich beschildern? Das Wirtschafts- und Ärztegespräch streichen? Die Eintrittspreise für das Freibad empfindlich erhöhen? Oder die Anzahl von Veranstaltungen in der Cultura verringern? Oder den Zuschuss zur Gartenschaupark GmbH kürzen? Oder nur noch die Hälfte für Migrationsberatung zahlen? – Ich könnte mit dieser Aufzählung noch in vielen Punkten weitermachen. – Aber hier zeigt sich doch eines: Ja, diese Leistungen sind freiwillig – sie sind vielleicht nicht lebensnotwendig für das bloße Funktionieren einer Kommune. Aber sie sind wichtig für das soziale Gefüge und Miteinander, für die Lebensqualität, für die Gestaltung unseres Alltags und unserer Freizeit. Hier rigoros Kürzungen oder Streichungen vorzunehmen, halten wir von der FWG für nicht vertretbar. – Umso unverständlicher ist mir das Gebaren der FDP, die – wie ich finde – in rigoroser und rücksichtsloser Art und Weise Kürzungen bzw. Streichungen unter anderem in den eben zitierten Bereichen vorgeschlagen hat. Herr Prof. Niewiarra und Herr Böwingloh, man kann eine Kommune nicht wie ein Wirtschaftsunternehmen führen. Vielleicht können Sie in einem Wirtschaftsunternehmen rigoros streichen, wenn die Zielsetzung lautet, einen gewissen Prozentsatz einzusparen. Aber so können Sie in einer Kommune nicht verfahren. Hier zählen – zum Glück – noch ein paar andere Werte. Denn hier muss es nicht nur irgendwie auf Sparflamme funktionieren. Wir investieren hier in das Zusammenleben von Menschen. Das sehe ich als Verpflichtung an: Für die Bürger unserer Stadt!

Mit der FWG gibt es kein wahlloses Streichen und Verändern im Stil der FDP. Es ist immer einfach, populistisch unterwegs zu sein, nach dem Rotstift zu greifen und pauschal zu sagen, es werde zu viel Geld ausgegeben. Doch hier geht es um Verantwortung, um Verlässlichkeit – und nicht um Effekthascherei. Der Eindruck der Effekthascherei verfestigt sich, wenn ich Zitate der FDP-Vertreter in der Zeitung lesen muss, die auf Stimmungsmache aus sind – aber, leider wenig Wahrheit enthalten. Wie etwa die Behauptung, dass die Stadtwerke Rietberg-Langenberg noch nie Bilanzzahlen vorgelegt hätte. Effekthascherei ist es auch, wenn FDP-Vertreter sich das grüne Mäntelchen umlegen, das Anlegen eines Stausees zur Entwässerung fordern, aber die Bezuschussung zur Bewässerung von Bäumen im Stadtgebiet streichen wollen. Ach ja, und auch noch eine städtische Baumschule fordern. Damit sollen dann wohl die städtischen Bäume ersetzt werden, die aufgrund mangelnder Bewässerung vertrocknet sind, weil die FDP ja da den Hahn zudrehen will.

Zurück zum Ernst der Lage: Wir erkennen gerade die äußerst wichtige und wertvolle Arbeit von Vereinen und Organisationen an, die oft ehrenamtlich agieren. Wir wissen auch, dass soziale Arbeit wichtig ist und wir wissen, dass wir Veränderungen nicht umsonst bekommen können. Aber auch den Standard zu halten, kostet nicht nichts. Und genau deshalb streichen wir nicht wahllos. 

Und ja – der vorliegende Haushaltsentwurf endet mit einem Verlust  – das ist uns sehr wohl bewusst. – Aber das liegt an mehreren und tiefgreifenderen Faktoren – die sich mit dem wahllosen Streichen kleinerer freiwilliger Beiträge nicht auffangen lässt.

Eine Erhöhung der Kreisumlage um ca. 20 Prozent von 19,5 auf über 23 Millionen ist schon übel und tut weh. Die bittere Wahrheit ist: Wir sind als Gemeinde strukturell unterfinanziert, denn wir hängen am Ende der Nahrungskette. Wir sind Aufgabenerfüller für Maßnahmen, die uns von oben – d.h. von Land und Bund – durchgereicht werden. Die Finanzierung müssen wir hier vor Ort stemmen. Ich weiß, dieses grundsätzliche Problem lässt sich nur auf den Ebenen von Land und Bund lösen und jammern nützt hier in der akuten Situation wenig. Doch ist es mir wichtig festzuhalten, dass es nicht die Lokalpolitik ist, die einfach immer zu viel Geld ausgibt. Es ist eine Schieflage und Ungerechtigkeit, die bei der Finanzierung von Aufgaben entsteht, die von oben kommen.    

Das nächste Problem, was unser Haushalt hat, ist allerdings ein hausgemachtes: Denn eine weitere Voraussetzung für einen ausgeglichenen Haushalt ist es, das Anlagevermögen zu erhalten. Wir sollten nur den Betrag, mit dem wir unser städtisches Vermögen abschreiben, auch wieder für neue Investitionen ausgeben. In den Jahren 2021 und 2022 haben wir jedoch nicht 100 % wieder angelegt, sondern über 500 %. In realer Zahl heißt das: Wir stemmen 2022 Investitionen von 37.9 Mio. Euro. Das bedeutet für die Zukunft höhere Abschreibungen und damit auch höhere Investitionen. Diese Zahlen müssen unbedingt auf den Prüfstand – auch wenn Investitionen nicht immer so zu steuern sind und manchmal überraschend kommen – zum Beispiel bei der jüngst beschlossenen Verlagerung des Bauhofes. Hier werden wir uns mäßigen müssen! Jetzt angefangene Projekte auch zu Ende bringen, aber nicht immer noch Neues und Mehr an Investitionen obendrauf! Dass das schwierig ist, ist mir bewusst. Aber wir müssen mit Blick auf unsere Finanzen nachhaltiger und kleinschrittiger planen!

Die Krux dabei ist nur wieder: So manch weitere Ausgaben sind gar nicht zu vermeiden. Ich denke da an die Umrüstung unserer Grundschulen, damit sie für den Ganztagsbetrieb tauglich werden. Dieser Ganztagsbetrieb wurde von uns nicht beschlossen, die Kosten tragen wir aber.

Wir kommen nach Meinung der FWG aber auch nicht drumherum, an die großen Sachen ranzugehen. Die offene Jugendarbeit verursacht seit Jahren einen hohen Aufwand. Nun soll vom Kreis auch noch die aufsuchende Jugendarbeit angestoßen werden. Die kommt auf die offene Jugendarbeit obendrauf – 35% der Kosten bleiben bei der Stadt hängen. Die restlichen 65 % werden zwar „offiziell“ vom Kreis finanziert. Doch wodurch finanziert sich der Kreis? – Richtig! Durch die Kreisumlage. Und wer zahlt die? Richtig! Die Kommunen. Da kann man schon den Eindruck bekommen, dass die Kommunen wie eine Kuh gemolken werden. Und die Spirale dreht sich weiter. Der Kreis wiederum muss die Zulage für den Landschaftsverband aufbringen und hat keine weiteren eigenen Einnahmen – dafür aber auch jede Menge Aufgaben. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Aufsuchende Jugendarbeit mit sogenannten Streetworkern finde ich prinzipiell klasse – aber brauchen wir dann in gleicher Anzahl auch Kräfte in der offenen Jugendarbeit oder lässt sich das auch sinnvoll und kostenschonender verzahnen?

Dies, meine Damen und Herren, ist nur ein Beispiel für die „großen Batzen“, an die wir ranmüssen, um die finanziellen Herausforderungen stemmen zu können. Und ich mahne, dass wir nicht mehr versprechen sollten, als wir uns finanziell leisten können.

Das ist aber leider passiert, als die CDU vor der letzten Kommunalwahl erklärte, jedem Kind, das die weiterführende Schule besucht, ein I Pad zur Verfügung stellen zu wollen. Hier sprechen wir von mehreren Millionen, wenn wir alle Jahrgänge ausrüsten. Ganz zu schweigen von laufenden Kosten. Die FWG ist der Meinung, dass alle Voraussetzungen für die zukünftige Nutzung dieser Tablets durch die Stadt geschaffen werden müssen – Das Netz in der Schule, ausreichende Anschlüsse und ggfs. Software, die für den Betrieb nötig ist. Das Tablet selber sollte von den Eltern angeschafft werden und dem Kind gehören. Es ist klar, dass Eltern, die diesen Betrag nicht aufbringen können, auf Antrag unbürokratisch eine Unterstützung erhalten. Aber einen Persilschein für I-Pads oder eine großzügige Mitfinanzierung bei der Anschaffung aus dem Portmonee der Stadt können wir von der FWG uns nicht vorstellen. Bei einem solchen Haushalt kann man keine Geschenke dieser Art machen. Diese, wenn auch nicht schöne Wahrheit, muss gesagt werden.

Grundsätzlich allerdings habe ich die Zusammenarbeit in den Haushaltsplanberatungen dieses Jahres mit den Parteien – mit Ausnahme der FDP – als verantwortungsvoll und diszipliniert empfunden. Das liegt sicherlich auch an der vorausschauenden Arbeit der Verwaltungsmitarbeiter, die uns mit den Übersichten zu Einsparmöglichkeiten erstmals auch konkrete Empfehlungen an die Hand gegeben haben. Dafür danke ich. Und jetzt müssen wir weitermachen: Gemeinsam vor allem die großen Ausgabeposten vielleicht neu denken, um so auf die Zukunft gesehen finanzpolitisch effizient zu agieren.

Die FWG stimmt den Haushaltsplan nach den Ergänzungen zu.

Der Stellenplan mit den Änderungen und die Anlagen zum Haushaltsplan finden ebenfalls unsere Zustimmung.

Zum Schluss noch eine Bitte:

Gehen sie alle mit positiven Gedanken in die Zukunft und bleiben sie negativ, wenn es um ihre Gesundheit geht.

Ich wünsche allen eine schöne Vorweihnachtszeit, ein schönes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2022.

In diesem Sinne, bleiben Sie gesund.  

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.